Ein schlechter Deal
Eine alte Schulfreundin von mir heiratet nach 16 Jahren ihren Jugendfreund. Kennengelernt haben sie sich mit 14… seitdem sind sie ein Paar. Eine gemeinsame Wohnung haben sie seit 3 Jahren. Da bekommt Schillers
Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet.
Der Wahn ist kurz, die Reu‘ ist lang.
eine ganz neue Tiefe.
Ich bin jetzt in einem Alter, in dem sich mein Umkreis entweder verlobt und dann natürlich auch heiratet – oder schon wieder scheiden lässt. Das ist interessant mit anzusehen. Ich komme aus einem kleinen bayerischen Städtchen, ging auf eine Klosterschule. Jene Klassenkameradinnen, die in der Provinz blieben, heirateten mit Anfang 20 und bekamen dementsprechend schnell ihre Kinder. Die überwiegende Mehrheit ist mittlerweile wieder geschieden. Jene, die sich weitergebildet haben, weggezogen sind und Erfahrungen gesammelt haben, heiraten jetzt erst. Ich mag voreingenommen sein – aber ich denke, dass letztere, im Vergleich, die längeren Ehen haben werden.
Das Konzept der Ehe ist mir sowieso nicht ganz klar. Wieso heiratet man? Aus Liebe, mag der ein oder andere nun sagen. Aber hat man sich nicht auch schon vor dem “Ja, ich will” geliebt? Damit ich sagen kann: Das ist meine Frau, das ist mein Mann? Einen Besitzanspruch zementieren durch die Unterschrift unter einem Blatt Papier? Steuergründe. Vielleicht. Soziale Absicherung. Möglicherweise. Aber zählt das noch? Ein Freund sagte mal, die Ehe ist ein Vertrag mit schlechten Kündigungsmöglichkeiten. Ehen beginnen, meist, mit einem kleinen oder mittelgroßen Fest und einer Torte und enden nach monatelanger bis jahrelanger Streitigkeit vor Gericht.
Meine Großmutter, seit 59 Jahren glücklich verheiratet, rät vehement von der Ehe ab: Man gibt sich nicht mehr genügend Mühe, sobald man sicher sein kann, dass der jeweils anderen nicht einfach raus kann.
Mir erschließt sich das Konzept der Ehe auch nicht. Wir sind seit 21 Jahren ohne Eheschein zusammen. Um mich herum sind auch schon einige zum zweiten oder dritten Mal verheiratet
All deine Gründe würde ich auch aufführen. Einen Aspekt hast du aber nicht erwähnt: Für den schlimmsten Fall, der eintreten kann: der Tod des Partners. Die Ehe macht es für den Hinterbliebenen und auch die gemeinsamen Kinder um ein Vielfaches leichter.
dafür kann man vorsorgen, durch notarielle Urkunden, Testamente, Vorsorgevollmacht usw. Dafür braucht man nicht die Ehe
Das stimmt, aber das ist viel Bürokratie und Rennerei. ?♀️
Tut mir leid, dass ich das so direkt sage, aber der Gedanke “ich heirate nicht, damit ich, falls es schief geht, keinen Stress mit der Scheidung habe” ist meiner Meinung nach Zeugnis von Feigheit. Vielleicht ändert sich das, wenn man den Richtigen gefunden hat. Dann möchte man nämlich so eng zusammenwachsen wie es geht und eine Familie werden, es der ganzen Welt zeigen, weil man glücklich ist und in die Liebe vertraut. Wer schon in eine Beziehung reingeht mit dem Gedanken, dass es eh in einer Trennung enden wird, kann es gleich lassen.
Aber wieso muss ich, um der ganzen Welt zu zeigen, dass ich den richtigen gefunden habe und mit ihm glücklich bin und in die Liebe vertraue, eine Ehe eingehen? Und wieso will man das überhaupt der ganzen Welt zeigen? Ist es nicht eine Sache zwischen den beiden Ehepartnern und die restliche Welt sollte sich da raushalten?